Anonyme Alkoholiker zu Gast an der Klara-Oppenheimer-Schule
Anonyme Alkoholiker zu Gast an der Klara-Oppenheimer-Schule
„13-jähriger nach Komasaufen bewusstlos aufgefunden!“. Solche und ähnliche Pressemeldungen waren Ausgangspunkt für eine Initiative, Schülern die verheerenden Wirkungen von Sucht gewissermaßen aus erster Hand vor Augen zu führen und die Hemmschwelle für den Konsum von Alkohol zu erhöhen.
Am 27.1.2014 besuchten drei Vertreter der Anonymen Alkoholiker Würzburg die Klasse 12 Sozialversicherung 1. Martina und Bernd (alle Namen unserer Gäste wurden in Absprache mit ihnen in diesem Text geändert), zwei trockene Alkoholiker, erzählten den Schülern von ihrem leidvollen Weg in die Abhängigkeit. Bei Martina begann es zunächst mit einem Cognac zum Kaffee, der das eigene Wohlbefinden steigerte. Warum sollte man sich zum Mittagessen nicht auch noch ein oder zwei Bierchen genehmigen? Nach einiger Zeit trank sie den Cognac nicht mehr aus dem Glas, sondern aus der Flasche. Als ihr Mann ihr den Alkohol wegschüttete, beschimpfte sie ihn, zog mit anderen Alkoholikern durch die Kneipen und kam sich richtig toll vor.
Ihre Abhängigkeit steigerte sich immer mehr und machte ihre Handlungsweisen unkontrolliert, bis sie ihren Mann, der Lehrer war, vor dessen Schulleiter in der Form grundlos denunzierte, als sie diesem erzählte, ihr Mann habe sie geschlagen. Als sie trocken war, wollte sie sich umbringen. Ihre Kinder trauten sich gar nicht mehr, Freunde mit nach Hause zu nehmen, weil sie sich extrem schämten, wenn ihre Mutter alkoholisiert war. Heute noch hat sie große Schuldkomplexe ihren Kindern gegenüber. „Die wichtigste Zeit meiner drei Kinder habe ich vertrunken. Ich habe heute noch Herzklopfen, wenn ich daran denke, wie mein Sohn vor mir kniete und bat, dass ich mit dem Trinken aufhöre.“ Von ihrem Ehemann hat sie sich scheiden lassen. 13 Jahre lang war Martina Alkoholikerin, bis es ihr mit der Unterstützung der Anonymen Alkoholikern gelang, trocken zu werden. Alkohol auch in kleinster Dosis muss sie meiden, da die Gefahr eines Rückfalls zu groß wäre.
Bernd war nicht nur alkoholabhängig, sondern konsumierte auch harte Drogen. Bereits mit 12 Jahren begann er erhebliche Mengen Alkohol zu konsumieren. Er besuchte die Sonderschule und konnte weder lesen noch schreiben. Seine Minderwertigkeitsgefühle und sein Drogen- und Alkoholkonsum haben ihn bereits in jungen Jahren gewalttätig werden lassen. Verschiedene Straftaten wie Einbrüche und schwere Körperverletzung führten dazu, dass er über 8 Jahre hinter Gitter verbringen musste. Mit 19 Jahren brachte er sich selbst bzw. mit Hilfe eines Zellenkollegen in der JVA Lesen und Schreiben bei. Nach einem vergeblichen Anlauf schaffte er die Gesellenprüfung als Maler sogar als Klassenbester. Er machte sich selbständig, verfiel nach einer Insolvenz jedoch wieder der Sucht. Halt fand er schließlich bei den Anonymen Alkoholikern (AA). Ohne diese Hilfe hätte er es sicher nicht geschafft, wieder clean zu werden. 2001 und 2003 schrieb Bernd ein Buch über sein bewegtes Leben Es folgte ein intensives Bibelstudium, aus dem er seine Lebensweisheiten bis heute zieht. „Alle zwei Tage mache ich eine Art innere Inventur. Ich reflektiere, was ich falsch und was ich richtig gemacht habe. Und ich sage mir täglich, dass mich der Alkohol nicht in die Enge treiben darf.“ Heute hat er mehrere Kinder und Enkelkinder und sieht es als eine wichtige Aufgabe an, junge Leute vor den Gefahren der Abhängigkeit zu warnen.
In den Gesichtern der Schüler spiegelt sich tiefe Betroffenheit wider, als die beiden Gäste von ihrem Leidensweg berichten. Nach und nach trauen sich die Schüler Fragen zu stellen und von eigenen Erlebnissen zu erzählen.
Ich danke Martina, Bernd und Maria (die als Angehörige von der Sucht ihres Mannes erzählte, der viele Jahre Alkoholiker war, ohne dass er sich das wirklich eingestehen konnte und so ihre Ehe fast zerstört hatte) für ihre Bereitschaft, sich vor den Schülern zu outen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag, dass die jungen Leute den Alkoholkonsum ernster nehmen, als dies bisher vielleicht der Fall war. Unsere drei Gäste waren vom ernsthaften Interesse und der Offenheit der Schüler sehr angetan und sind auch in Zukunft bereit, in interessierten Klassen bei Bedarf ihre Lebensgeschichte zu erzählen.
Ansprechpartner
R. Amberg, StD
Stettiner Str. 1
97070 Würzburg
Tel. 0931–7908100
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